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Sol LeWitt

Lost Voices

13.3. – 29.5.2005
Der höchst problematische, meist zum Scheitern verurteilte Versuch, etwas Vergangenes zu bebildern, es im Sinne einer Beschreibung zu vergegenwärtigen, hat allerdings auch viel mit unserem überkommenen Geschichtsverständnis zu tun. Machen wir uns nichts vor: Vergangenheit liegt nicht in einer Vorratskammer unseres kollektiven Gedächtnisses bereit, um 1:1 im Sinne einer alle befriedigenden Lösung abgerufen zu werden, sie muss notgedrungen immer aus dem „Jetzt“, aus der Gegenwart heraus begriffen werden. Erinnern ist niemals gleichzusetzen mit dem Objektivieren vergangener Ereignisse, sondern beinhaltet immer ein Aktivieren gegenwärtiger Bewusstseinslagen und Fragestellungen, von denen es auch getragen und beeinflusst wird. Weil Erinnerung aktuelle Vergegenwärtigung bedeutet, muss sie notwendigerweise als unabgeschlossener und unabschließbarer Prozess begriffen werden, als eine Verpflichtung gegenüber der Gegenwart in Hinblick auf eine nicht leicht auslotbare Vergangenheit. Dies ist besonders dann der Fall, wenn es um etwas nicht mehr Vorhandenes, letztlich Unwiederbringliches geht. Sol LeWitts radikale Vorgehensweise hat so gesehen wenig mit Erinnerung im Rahmen von Repräsentation von Vergangenem zu tun, sondern in erster Linie mit dem Erfahrbarmachen eines geschichtlich bedingten Entzugs, einer Fehlstelle. In der Tat geht es ihm um den unwiederbringlichen Verlust des jüdischen Anteils an der deutschen Kultur, doch seine Mittel sind nach wie vor die eines konzeptuell vorgehenden, repräsentationskritischen, den Ort, den Raum und letztlich den Betrachter auf besondere Weise zusammen bringenden Künstlers. Er sorgt durch das bewusste Versperren und Entziehen dafür, dass die ostentative Verweigerung oder „Nicht-Erfahrung“ des ehemaligen Sakralraumes, so paradox es klingen mag, die Chance erhält, zu einer besonderen Form ästhetischer Erfahrung zu werden. Denn ein Betrachter, der die anfänglich irritierende Beengtheit und letztlich Vergeblichkeit seiner intendierten Raumerfahrung zusammen mit seinen eigenen Empfindungen wahrzunehmen beginnt, reflektiert sich und alle seine Reaktionen im Akt der Wahrnehmung mit.

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Diashow (3 Bilder)

Synagoge Stommeln, Sol LeWitt, Installationsansicht, Foto Werner J. Hannappel

Sol LeWitt, Lost Voices