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Jannis Kounellis

1.12.1991 – 29.2.1992
Jannis Kounellis, als Ikonograph des Ikonoklasmus, wie er sich einmal selbst bezeichnet hat, umspielt seine Aktionen und installativen Arbeiten immer wieder mit Text, mit Schweigen, mit Gespräch oder Gesang. Auch anlässlich der Eröffnungsausstellung in der Synagoge Stommeln ist ein Text entstanden, der die künstlerische Arbeit in den Bereich der Sprache hinein erweitert, ohne allerdings Gebrauchsanweisung oder Interpretationshilfe zu sein:

Man wanderte heiter, selbstsicher, in Reih und Glied auf einer ländlichen Allee, einer behüteten, paradiesischen Zukunft entgegen. Doch dann ist das Unvorhergesehene, teuflisch, unfassbar, das uns dem Formlosen, dem Chaos entgegendrängt. Was vor kurzem noch unannehmbar war, wird fassbare Wirklichkeit.

Wer ist der Verräter? Der Händler? Die Heiligen? Oder der Reiterkönig? Wer ist es, der das Leiden für einen altmodischen Fremdkörper hält? Der Gebieter oder der Mann von der Straße? Zu bedenken ist, dass es ein Schutz gegen Willkür war.

Jetzt wissen wir, dass die Grenze zwischen Gut und Böse nicht so klar gezogen ist, wie in den Sprechblasen der Comics. Wir bewegen uns langsam auf eine harte Prüfung derjenigen zu, die viel haben, verglichen mit jenen, die nichts haben. Lieben können bedeutet heute, das Werkzeug haben, um zu verstehen und die Sprache, um zu erzählen. Dies ist das letzte Ordnungssystem, das einem denkenden Menschen erlaubt ist, andernfalls wartet auf ihn die härteste Strafe, in den trostlosen Abgrund der Hölle zu gleiten.

Jannis Kounellis,
Stommeln, 21. November 1991

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Diashow (4 Bilder)

Jannis Kounellis, o.T., Foto Werner J. Hannappel

Jannis Kounellis, Installation für die Synagoge