Jetzt wird auch klar, warum diese Zeichnungen in Stommeln nicht bildhaft oder skulptural fest installiert sind, sondern warum wir sie herausziehen müssen: So entsteht tatsächlich keine Frontalität. Das Sehen, das rein Optische, geht hier zusammen mit dem Tasten, dem Greifen und Handeln. Und es entsteht kein festes Bild: Die Aufsicht auf die Stahlplatte oder das Glas verbindet sich mit der Spiegelung, und die Durchsicht durch die Stahlplatte kann mit dem Glas wie auch dem offenen Raum dahinter erfolgen, und ebenso können wir nur die Glasplatte – mit dem offenen Raum dahinter – »an«-sehen beziehungsweise durch sie hindurchsehen. Das alles ist selbstverständlich, es ist einfach verständlich, aber es verändert unser Sehen, unser Verhältnis zum Gesehenen, und es ist auch nicht abbildbar, weil es nicht abgrenzbar ist – als Objekt oder Skulptur – und weil es nicht fixierbar ist als Bild.
Außerdem wird klar, warum Maria Nordman nichts in die Synagoge gestellt hat. In unserem Bewusstsein hätte sich dann ein abgeschlossenes Inneres gebildet, eine Unterscheidung zwischen Innen und Außen. Die Zeichnungen im Außenraum stellen eine Kontinuität her, eine Beziehung zwischen Innen und Außen, ohne beides zu verwischen. Wenn wir in den Innenraum der Synagoge treten, haben wir die Zeichnungen von draußen noch im Bewusstsein, aber der Raum bleibt, was er ist, er behält seine Stimme, seine Erinnerung, seine Würde.